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EIN UNBÄNDIGER WILLE, LEBENSRÄUME ZU SCHÜTZEN

Unseren indonesischen Kaffee beziehen wir von einer kleinen Bauerngruppe, welche sich Wih Bershi nennt - nach dem gleichnamigen Dorf, im Hochland von Gayo, ganz im Norden Sumatras. Dieser Kaffee nennt sich Orang Utan Coffee und ist Teil eines grossartigen Projekts. Dieses Projekt möchten wir euch hier etwas näher vorstellen, und euch bekannt machen mit einer treibenden Kraft mit unbändigem Willen: Regina Frey. Wir haben Regina Anfangs Januar zu Hause in Berg am Irchel besucht.

Von Pascal Herzog

EIN UNBÄNDIGER WILLE, LEBENSRÄUME ZU SCHÜTZEN
Orang-Utan

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EIN UNBÄNDIGER WILLE, LEBENSRÄUME ZU SCHÜTZEN

Unseren indonesischen Kaffee beziehen wir von einer kleinen Bauerngruppe, welche sich Wih Bershi nennt - nach dem gleichnamigen Dorf, im Hochland von Gayo, ganz im Norden Sumatras. Dieser Kaffee nennt sich Orang Utan Coffee und ist Teil eines grossartigen Projekts. Dieses Projekt möchten wir euch hier etwas näher vorstellen, und euch bekannt machen mit einer treibenden Kraft mit unbändigem Willen: Regina Frey. Wir haben Regina Anfangs Januar zu Hause in Berg am Irchel besucht.
Regina Frey
Regina Frey heute

Regina steht, wie wenig andere, für den Schutz der verbleibenden Orang-Utans auf Sumatra. Ihre Erfahrung und ihre scheinbar unerschöpfliche Energie, erlaubt ihr, ganzheitlich zu denken und ebensolche Projekte ins Leben zu rufen. Aus dem Schutz der Primaten wurde ein umfassendes Lebenswerk, welches versucht, ursprüngliche Lebensräume auf Sumatra zu schützen und dabei Modelle zu schaffen, welche erlauben, dass Pflanzen, Tiere und Menschen koexistieren können. Kaffee spielt dabei eine wichtige Rolle.  

Beginn ihres eindrücklichen Werdegangs war eine erste Reise nach Indonesien im Jahr 1973. Gleich nach dem Biologiestudium, mit wenig Erfahrung aber viel Überzeugung im Gepäck, machte sie sich nach Indonesien auf, um sich den Orang-Utans auf Sumatra anzunehmen. 

Ihre ersten Eindrücke sind geprägt von den intensiven tropischen Regenfällen, welche sie noch fleissig auf einem kleinen Diktafon aufnahm und regelmässig nach Hause schickte.  

Regina Frey mit Orang-Utan
Regina Frey mit Orang-Utan Baby in den 1970er

Mit einer Kollegin aus der Schweiz baute sie das erste Projekt für den WWF auf. Auf dem Land wurde Quartier bezogen, ein Auto stand nicht zur Verfügung – entsprechend lang waren die Fussmärsche, respektive die Busfahrt mit einem Orang-Utan Baby nach Medan, der nächsten Stadt. So entstand die erste Auffangstation für in Gefangenschaft geratene Orang-Utans. Mit viel Geschick, immer erklärend und sensibilisierend, ist es den Beiden gelungen, Besitzer von Orang-Utans davon zu überzeugen, dass die Primaten keine geeigneten Haustiere sind, und somit nicht in vergitterte Käfige gehören, sondern in die Auffangstation, resp. zurück in den Regenwald.

Ich wundere mich: Wie hat sich die Natur und die Gesellschaft seit den frühen 70er Jahren verändert? Insbesondere die Gesellschaft sei nicht nur einfach “schlechter” geworden. Im Gegenteil. Die Einwohner und Einwohnerinnen Sumatras hätten heute ein besseres Verständnis für die Verletzlichkeit der Natur, in der sie leben. Mit Neugier würden sie ihre eigenen Wälder besuchen. Eine Form von inländischem Tourismus, welche lange undenkbar gewesen sei, ist heute ein wichtiger Pfeiler, der lokalen Wirtschaft. Selbstverständlich ist der Druck auf die verbleibenden Regenwälder enorm. Es gibt eine stetig zunehmende Bevölkerung und die globale Nachfrage nach Palmöl scheint unermesslich. Die Konsequenzen für die Primaten sind dramatisch: Im vergangenen Jahrhundert sind rund 92% der ursprünglichen Orang-Utan Populationen verschwunden. Ein einfacher Blick auf Google Maps offenbart das gigantische Ausmass der Plantagen. Das pflanzliche Fett der Palme ist und bleibt vergleichsweise billig und wird dadurch in verschiedensten Industrien eingesetzt – von der Tiefkühlpizza, über Waschmittel bis zum Biodiesel. 

Palmoel Plantage
Palmöl-Plantage auf Sumatra, Indonesien

Der ursprüngliche Anbau von Palmöl, zum Beispiel durch die Lonsum (PP London Sumatra Indonesia Tbk), sei verhältnismässig verkraftbar gewesen, sagt Regina. Die Plantagen wurden über viele Jahrzehnte auf den gleichen Flächen bewirtschaftet, mit viel Wissen geführt, und waren durchwegs auch Rückzugsgebiet für Tiere. Die Problematik beim Palmöl sei, dass sie Tieflandregenwälder verdrängten, immer noch oft mit Hilfe von illegaler Brandrodung. Die ökologische Katastrophe sei jedoch die Trockenlegung von grossen Torfsumpfwäldern von höchster Artenvielfalt, oft in Küstennähe. Bei der Trockenlegung dieser Wälder werden grosse Mengen von CO2 freigesetzt, welches im organischen Material des Torfs gelagert war. Hierzu eine eindrückliche Zahl: Der Torf Indonesiens hat eine CO2 Speicherkapazität von rund 54 Gigatonnen (54’000’000’000 Tonnen). Neben dem Regenwald Kongos, ist dies das zweitgrösste CO2-Torf-Reservoir der Welt. Leider sind beide Gebiete auch Lebensraum von Primaten: Im Kongo leben Gorillas, Schimpansen und Bonobos, in Indonesien die Orang-Utans. So versteht man auch, weshalb sich Regina mit aller Energie gegen den Anbau, und in der Schweiz gegen den Konsum von Palmöl wehrt. Ob ein nachhaltiger Anbau von Palmöl grundsätzlich möglich wäre, wollte Regina auf einer auf Brachland neu angelegten, nach RSPO-Richtlinien geführten Plantage untersuchen. Das Ergebnis der wissenschaftlichen Studie von 5 Jahren belegte, dass die Artenvielfalt stark abgenommen hatte, was den Verdacht bestätigte, dass die aktuellen RSPO-Richtlinien keinen nachhaltigen Anbau von Palmöl garantieren.

Aktuelle Diskussion

Am 7. März stimmen wir in der Schweiz über das Freihandelsabkommen zwischen Indonesien und der Schweiz ab. In diesem Abkommen wurden zum ersten Mal der vergünstigte Import eines spezifischen Produkts an Produktionsstandards geknüpft. Das sogenannte RSPO-Zertifikat soll einen nachhaltigen Anbau von Palmöl garantieren. Während Regina es grundsätzlich begrüsst, dass erstmals Nachhaltigkeitskriterien bei einem Freihandelsabkommen miteinbezogen wurden, mangelt es bei den Richtlinien selbst. Sie findet es deshalb wichtig, Konsumentinnen und Konsumenten die Schwächen des RSPO-Gütesiegels aufzuzeigen, um den nötigen Druck aufzubauen zur Verbesserung dieses Zertifikats und so den Anbau von wirklich nachhaltigem Palmöl zu gewährleisten.

Kaffee trocknen bei Orang-Utan Coffee
Kaffee trocknen in Wih Bersih, Teil von Orang-Utan Coffee

Wenn Palmöl das Hauptproblem für das Überleben des Orang-Utans ist, weshalb ein Kaffee-Projekt? 

Nach dem Unabhängigkeitskrieg in Aceh, welcher nach dem Tsunami 2004 zu einem plötzlichen und unerwarteten Ende kam, ergab sich die einmalige Chance, neue Kaffee-Projekte in der Gayo-Hochebene zu entwickeln. Während sich die Primaten und die Kaffeebauern nicht denselben Lebensraum teilen. Orang-Utans leben im tiefer gelegenen Regenwald, während unser Arabica das moderate Klima im Gayo-Hochland schätzt. 

Die Kaffeeplantagen liegen jedoch in der Nähe, manchmal unmittelbar angrenzend an das Leuser Ökosystem mit dem Leuser Nationalpark und sind somit Teil desselben Ökosystems. 

Die Initiatoren waren überzeugt, dass sich hier eine Chance ergibt mit dem “Kaffee-Business” zusammenzuarbeiten. Um sicherzustellen, dass dies im Einklang mit der Natur geschieht, ist Orang-Utan Coffee entstanden. Die Bauern, welche an diesem Programm teilnehmen verpflichten sich, auf Rodungen des Regenwaldes, sowie auf die Jagd, den Fang und den Handel von geschützten Tier- und Pflanzenarten zu verzichten. Als Gegenleistung erhalten die Familien eine finanzielle Prämie von 0.50 EUR/KG. Weitere 0.50 EUR/KG gehen direkt ans Sumatran Orangutan Conservation Programme (SOCP), welches unter anderem die Auffangstation für Orang-Utans betreibt und weiterentwickelt.

Vicafe auf Besuch bei Orang-Utan Coffee
ViCAFE auf Besuch bei Orang-Utan Coffee

In den letzten Jahren haben die OUC-Bauerngruppen intensiv auf die europäische Bio-Zertifizierung hingearbeitet. Die Schulungen für den Bio-Anbau des Kaffees, welche ebenfalls durch das Projekt organisiert werden, finden im eigenen Ecofarming Center statt.  

Seit 2014 arbeiten wir bei ViCAFE nun mit Orang Utan Coffee zusammen. Das grösste Highlight bisher war sicherlich die Crowdfunding Aktion, welche wir 2017 bei 100-days (neu Crowdify) von Ronorp organisierten. 50’000 CHF halfen am Ende, der Bauerngruppe Wih Bersih eine Kaffee-Trocknungsanlage zu bauen. Auch 2021 profitieren alle Beteiligten von dieser Investition. Während die Kaffeebauern und -bäuerinnen ihren Kaffee unter optimalen Bedingungen trocknen können, profitieren wir in der Schweiz von den wunderbaren, sauberen Aromen dieses Gayo-Kaffees.

Wenn man den Blick vom Kaffee löst und sich fragt, um was es Regina geht, stellt man fest, dass es immer um den Erhalt und Schutz von Lebensräumen geht. Denn der Schutz des Regenwaldes ist in letzter Konsequenz nicht nur nötig, um die verbleibenden Primaten und andere Tier- und Pflanzenarten zu schützen. Er ist ebenso Lebensgrundlage für die Menschen, die auf Sumatra leben, und somit auch die Kaffeebauern, die mit viel Energie unseren Orang-Utan Coffee herstellen. Und nicht zuletzt spielt der tropische Regenwald eine entscheidende Rolle für das bedrohte globale Klima, das gegenwärtig im Fokus weltweiter Rettungsmassnahmen steht. Wir sind begeistert, dass unser Orang-Utan Coffee, Teil eines solch eindrücklichen Lebenswerkes ist.

Text: Pascal Herzog
Bilder: PanEco & Christian Forrer

 

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