Von Yirga Alem in Äthiopien starten wir unsere Fahrt südlich in Richtung Gedeb. Wir sind aufgeregt und vorfreudig, denn viel zu lange ist es her, dass wir bei Alemayehu Daniel zu Besuch waren. Vor fünf Jahren lernten wir ihn und seine Geschwister kennen und es ist jedes Jahr bei Baristi und Kund*innen ein Highlight, wenn wir die frische Ernte des Miju wieder auf der zweiten Mühle und im Saison Lot anbieten.
Kurz vor der Stadt Gedeb halten wir in einem Weiler, ein junger Mann in grünem Samtpullover mit traditionellen äthiopischen Stickereien gibt sich uns als jüngerer Bruder von Alemayehu Daniel zu erkennen. Er führt uns auf einem Motorrad über trockene, staubige Strassen durch die Wälder der äthiopischen Hochebene, bis wir an einen langen Holzzaun kommen, der linkerhand die Strasse flankiert. Wir erfahren, dass gleichzeitig zu unserem Besuch die Beerdigung eines Onkels stattfindet, weswegen wir nicht alle Brüder zu Gesicht bekommen. Umso mehr ehrt es uns, dass wir sie an diesem Tag besuchen dürfen.
Wir werden herzlich und neugierig empfangen. Bei den Drybeds, wo die Kirschen bereits seit ein paar Tagen am Trocknen sind, folgt eine Vorstellungsrunde auf farbigen Gartenstühlen, welche uns immer wieder bei Besprechungen draussen – entweder im Schatten der Bäume oder vor Häusern – eine spontane Sitzgelegenheit bieten.
Wir berichten von unserem Teil der Kaffeewertschöpfungskette und übergeben der Familie unser Endprodukt: gerösteter Kaffee, verpackt und umschlossen mit gelb-goldiger Miju-Banderole. Wir überreichen zudem die ViCAFE Plakette, welche wir voller Stolz unseren treusten Kaffee-Partner*innen überreichen. Der lange Austausch wird von mehreren Tassen Kaffee begleitet, der klassisch zuerst auf Kohle geröstet, dann von Hand zermörsert und in der Jebena, der äthiopischen Kaffeekanne, aufgegossen wird.
Wir stehen auf und gehen durch die Drybeds. Das nächtliche Abdecken gegen die Kälte (wir befinden uns auf 2050 m.ü.M.) bereitet den Kaffeefarmer*innen Schwierigkeiten, denn dafür fehlt nachts künstliches Licht. Weiter geht es wiederum am Holzzaun entlang und wir dringen zwischen den Geräteschuppen und den Wohnhäusern in die Kaffeeplantage ein. Stolz wird uns gezeigt, wie sie ihre Pflanzen pflegen, zurückschneiden, wo sie die Setzlinge heranziehen, die dann zusammen mit dem hauseigenen Kompost eingepflanzt werden. Nach 2-3 Jahren werfen die Pflanzen genug Ertrag ab. Hier wird einmal im Jahr geerntet. Das zieht sich jedoch über einige Wochen hin, da nicht alle Kirschen auf Kommando reif sind – es braucht mehrere Erntegänge, damit die gleichbleibend hohe Qualität garantiert werden kann.
Danach kommen die Kirschen zum Trocknen auf die Hochbeete, wo wir soeben sassen. Nach der Ernte ist vor der Ernte und die Bäume werden gepflegt, zurückgeschnitten, die Triebe werden selektiert und auch die Höhe der Bäume wird so gehalten, dass mit der eigenen Körpergrösse geerntet werden kann. Zudem gibt der oberste Strauss von Kirschen darüber Auskunft, so erzählt uns Alemayehu, wann das ertragreiche Leben des Kaffeebaums zu Ende geht. Wenn die Kirschen kleiner und weniger werden, dann weiss das geschulte Auge, dass der Lebensabend des Baumes gekommen ist.
Wieder unter einem Baum und auf den Gartenstühlen aus Plastik sprechen wir über unsere weitere Zusammenarbeit und die Herausforderungen. Das Streben nach guter Qualität resultiert für die Bauern in einen besseren Ertrag, mit welchem sie ihren Kindern eine Bildung auf einer privaten Schule ermöglichen können. Der Weg einer guten Ausbildung führt in die Stadt, wo die Lebensbedingungen besser sind und der wirtschaftliche Aufstieg näher ist. Im Moment sind bei Alemayehu einerseits das ein Fokus und andererseits die Wege zu sauberem Wasser: Die nächste saubere Wasserquelle befindet sich einen Fussmarsch weg von der Farm.
Weiter weist uns Alemayehu darauf hin, dass es ihnen an korrekter Schutzkleidung bei Forstarbeiten fehlt. Diese Anliegen zu unterstützen ist uns eine Herzenssache. Mit der neuen ViFOUNDATION(1) im Rücken ist uns hier mehr Wirkungskraft gegeben.
Wir verlassen die Farm mit vielen neu gewonnenen Eindrücken und sind uns bewusst, dass es noch viel zu organisieren gibt, bis der Grünkaffee bei uns in der Rösterei in Zürich ankommt: Der Kaffeebauer in Äthiopien kann seine getrockneten oder frisch gepflückten Kaffeebohnen entweder an einen Akrabi, einem äthiopischen lizenzierten Kaffeehändler, oder an eine Kooperative verkaufen. Beide Abnehmer verarbeiten die Kaffeekirschen in ihrer Wet Mill und trocknen die Bohnen auf ihren Drying Spaces
Der Kaffee geht dann in unserem Fall in den Norden nach Addis Abeba und wird dort in einer Dry Mill von der Union oder – im Falle des Akrabi – einem privaten Exporteur gereinigt, selektioniert und abgepackt für die Verschiffung in Djibouti. Dann geht es durch den Suezkanal ins Mittelmeer, entlang der Nordküste Afrikas an der Enge von Gibraltar vorbei bis zu den Häfen von Rotterdam, den Rhein hinunter ins Hafenbecken von Basel und dann die letzten Kilometer über Land nach Zürich Altstetten in unsere Rösterei.
1Die ViFOUNDATION ist eine am 15.11.2021 gegründete Schweizer Stiftung mit Domizil in 8193 Eglisau. “Der übergeordnete Zweck der Stiftung ViFOUNDATION besteht darin, die Lebensbedingungen von landwirtschaftlichen Kaffeeproduzenten*innen und Produzenten*innen von anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen welche einen Zusammenhang zu Kaffee aufweisen zu verbessern…” Quelle: https://www.fundraiso.ch/sponsor/vifoundation