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DAS STREBEN NACH PERSÖNLICHEN BEZIEHUNGEN MIT KAFFEEBÄUERINNEN & -BAUERN

Tausende Kilometer trennen uns von den Kaffeebauern. Trotzdem verbindet uns nicht nur die Passion für Kaffee, sondern auch eine persönliche Beziehung – ein unersetzbares Gut, wie wir finden.

Von Pascal Herzog

DAS STREBEN NACH PERSÖNLICHEN BEZIEHUNGEN MIT KAFFEEBÄUERINNEN & -BAUERN

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DAS STREBEN NACH PERSÖNLICHEN BEZIEHUNGEN MIT KAFFEEBÄUERINNEN & -BAUERN

Tausende Kilometer trennen uns von den Kaffeebauern. Trotzdem verbindet uns nicht nur die Passion für Kaffee, sondern auch eine persönliche Beziehung – ein unersetzbares Gut, wie wir finden.

Gegensätze

Während am Zürcher Münsterhof die Espressomaschine dampft und schäumt und emsige Passant*innen sich auf einen wärmenden Kaffee freuen, macht sich Oscar Hernandez in Pitalito, Kolumbien ein Bild vom Zustand seiner Pflanzen: Die Haupternte steht vor der Tür, der Regen der letzten Tage hat sich positiv auf die Expansion der Kaffeekirschen ausgewirkt. Falls die Natur weiter mitspielt, übertrifft die Ernte Oscars Erwartungen.

Gegensätzlicher könnten diese beiden Szenen nicht sein. Was uns dennoch verbindet: Einerseits die gemeinsame Faszination für Kaffee, anderseits eine persönliche und vertrauensvolle Beziehung. Eine Beziehung, die von beiden Seiten regelmässig gepflegt wird und die mittlerweile ihren vierten Geburtstag feiern durfte.

Ein wichtiger Dreisatz

Wenn wir über einen neuen Kaffee nachdenken, geschieht dies immer in drei Schritten: Zuerst müssen wir einen Kaffee identifizieren, der uns allen schmeckt und der in den Espresso Bars konstant auf hohem Niveau extrahiert werden kann. Anschliessend besprechen wir, wie wir in der Rösterei mit dem Produkt verfahren. Welche Aspekte wollen wir beim Rösten betonen? Was für Lead Times müssen eingehalten werden, um sicherzustellen, dass das Produkt rechtzeitig in den Kaffeemühlen gemahlen werden kann? Und schliesslich machen wir uns Gedanken zum Ursprung des Kaffees. Nachdem wir verschiedene Grünkaffeemuster angeschaut und verkostet haben, planen wir eine Reise in das entsprechende Ursprungsland: Wir wollen den Menschen hinter dem Kaffee kennenlernen. Um eine solche Partnerschaft aufzubauen, braucht es neben Fakten auch ein gutes Bauchgefühl. Erst wenn beide Seiten vom gemeinsamen Potential überzeugt sind, wird der Preis direkt vereinbart und somit die langfristige Zusammenarbeit besiegelt.

Warum diese Beziehungen unersetzlich sind

Was treibt uns an? In erster Linie wohl unsere Neugierde, die Hintergründe jenseits des Rohstoffs zu verstehen. Dieses «Verstehen» beginnt bei der Qualität des Kaffees. Aus der Analyse der Bohnen lassen sich einige Rückschlüsse über die Bedingungen vor Ort gewinnen. Zum Beispiel kann beurteilt werden, ob die Kaffeekirschen genügend Nährstoffe erhalten haben. Weiter gibt der Grünkaffee Hinweise darüber, wie sorgfältig auf der Farm gearbeitet wurde: Haben die Bohnen kleine Bruchstellen, so waren die Coffee Pulper wohl nicht präzis kalibriert. Gleichzeitig bleibt aber Vieles verborgen. Insbesondere der Faktor Mensch entzieht sich den fünf Sinnen. Wie gehen die Menschen auf der Kaffeefarm miteinander um? Wie rücksichtsvoll wird mit der Flora und Fauna auf der Farm umgegangen? Und besteht das Interesse an einem langfristigen Wissensaustausch mit uns und anderen Farmen, die mit uns zusammenarbeiten? Viele dieser wichtigen Fragen können nur vor Ort geklärt werden.

Durch die direkten Preisverhandlungen können wir zudem sicherstellen, dass die Preise über die Jahre relativ stabil bleiben. Dies gibt den Farmer*innen Planungssicherheit und ermöglicht längerfristige Investitionen in die Farm. In Zeiten mit einem volatilen und relativ tiefen Kaffee-Weltmarktpreis ist dies besonders wichtig.

Die Nähe zu den Bäuerinnen und Bauern erlaubt aber auch ein umfassenderes Verständnis der lokalen Gegebenheiten und Entwicklungen jenseits der Kaffeefarmen. Im engen Austausch mit Exporteur*innen ist es unter anderem möglich, mehr zu erfahren über die Bestrebungen in Kenia, die «Marketing Agents» abzuschaffen, um hier ein Beispiel aus dem ostafrikanischen Kaffeemarkt zu nennen. Eine solche Änderung der lokalen Marktstrukturen hätte einen entscheidenden Einfluss auf unsere lokalen Partner*innen und entsprechend auch auf die Art und Weise, wie wir Kaffee aus Kenia einkaufen können.

Beziehungen, an denen wir arbeiten

Wir wollen stabile Beziehungen, welche von Ehrlichkeit und Transparenz geprägt sind. Beziehungen auf Augenhöhe, von Unternehmer*in zu Unternehmer*in, wobei beide Seiten Verantwortung für ihr Handeln übernehmen. Eine Voraussetzung für gemeinsame und langfristige Ziele.

Zurück zu Oscar in Kolumbien: Bei unserem vorletzten Besuch haben wir – auf seiner Wet Mill sitzend – realisiert, dass die Finca Los Nogales einen grossen Bedarf an nährstoffreichem Hummus hat. Die Farm ist steil und Oscars Ziel, den Einsatz von Düngemittel zu reduzieren, erfordert eine aufmerksame Bewirtschaftung der vorhandenen Böden. So entstand der gemeinsame Plan, eine Kompostanalage zu bauen, welche auf mehreren Terrassen die erforderliche Biomasse produziert. Einige Wochen nach unserer Rückkehr erhielten wir ein Update aus Kolumbien: Oscar zeigt uns über WhatsApp seine neue Kompostanlage. Diese funktionierte so gut, dass er damit begonnen hat, Grünabfälle seiner Nachbar*innen dazu zu kaufen.

Heute profitieren wir alle von einer neuen Kompostanlage im Süden Kolumbiens und einer wertvollen Freundschaft zwischen Oscar und ViCAFE.