JULIA – WILLENSSTARK UND UNABHäNGIG
Julia die Stadtzürcherin
Julia liebt Zürich und könnte sich momentan nicht vorstellen einmal irgendwo anders zu leben. Ausser, wenn ViCAFE ihren Traum von einer Espresso Bar in Genua erfüllen würde. Dann würde sie Zürich mit der italienischen Hafenstadt für ein Weilchen tauschen. “Aber Zürich ist meine Heimat, mein Daheim.” Sie kennt jede Ecke und jeden Weg, sogar so auswendig, dass ihre Mutter einmal meinte, sie wäre eine gute Taxifahrerin. Zürich habe die perfekte Grösse. Es sei kein Dorf, aber gerade genug gross, dass man auf einer Velofahrt durch die Stadt doch immer wieder jemanden sieht, den man kennt, oder in einem Café auf bekannte Gesichter trifft. Sie mag das Angebot, das von Kultur, über Museen, Bars, Restaurants und Kinos reicht. Sie schätzt das Pulsierende und die Lebendigkeit der Stadt genauso wie die Durchmischung. Als Beispiel nennt sie den Kreis 3, in dem sie wohnt. “Hier wohnen einfach alle. Alt und Jung, Zürcherinnen und Zürcher, orthodoxe Juden und muslimische Migranten.” Als zukünftige Mutter, sei es ihr wichtig, dass ihr Kind in einem Umfeld aufwachse, wo diese Durchmischung gegeben sei. Man könnte aber auch einiges verbessern. Mehr und bessere Velowege zum Beispiel oder günstigere Mieten. “Züri isch eifach tüür.” Im Grossen und Ganzen sei es aber ein riesen Privileg hier leben zu dürfen.
Julia die Kämpferin
Julia ist eine Kämpferin. Sie steht für ihre Werte ein und sagt ihre Meinung klar und deutlich. Wo hat sie das gelernt? Sie sei quasi mit einem riesen Drang nach Gerechtigkeit zur Welt gekommen. Schon als Jugendliche setzte sie sich für andere Kinder ein. Beispielsweise dann, als Flüchtlingskinder, die wegen des Jugoslawienkrieges in die Schweiz kamen, wieder ausgeschafft werden sollten. Sie veranstaltete mit ihrer Schulklasse einen Sitzstreik vor dem Rathaus, um ein Zeichen zu setzen.
Julia geht auch auf die Strasse; früher gegen die Globalisierung und das WEF – heute für die Frauen. Gerade als werdende Mutter stellt sie fest, dass Vieles noch nicht stimmt. Und damit es stimmt, brauche es Gleichberechtigung. “Frauenrecht und Gleichberechtigung fliessen ineinander ein. Frauenrecht ist ein grosses Thema in der Gleichberechtigung aber am Schluss geht es darum, dass jeder Mensch gleich behandelt wird.” Ob sie Vorbilder habe? Niemanden Bestimmtes. Doch ihre Grossmutter als auch ihre Mutter seien immer starke Frauen und Macherinnen gewesen, somit hatten sie schon etwas Vorbildliches.
Kämpfen musste Julia auch während der Wirtschaftskrise 2008/2009. Damals als selbstständige Fotografin und Filmemacherin tätig, blieben etliche Aufträge aus und damit auch Geld für Essen. Mit ihren Fotografen-Kolleg*innen besuchte sie daher Vernissagen, um auch mal auswärts Essen gehen zu können. Auch wenn die Lage damals eigentlich nicht zum Lachen war, amüsiert sie sich in unserem Gespräch über ihre eigenen Geschichten sehr. “Es war auch eine coole und sehr freie Zeit. Zurück nach Hause gehen war eigentlich nie eine Option. Unabhängig zu sein ist für mich bis heute etwas vom Wichtigsten.”
Julia die werdende Mutter
In wenigen Wochen erwartet Julia ihr erstes Kind. Zusammen mit ihrem Partner Tino und dessen Tochter Luna bilden sie eine moderne Patchwork-Familie. “Ich freue mich unglaublich auf meinen Buben, habe aber auch Angst.” In ihrer neuen Rolle wird sie auch mit Themen konfrontiert, über die sie sich früher vielleicht Gedanken gemacht hat, sie aber nicht direkt betroffen haben. Die Meinungen darüber, dass sie nach dem Mutterschaftsurlaub erst zu 50 und danach zu 80% wieder arbeiten möchte, scheiden sich. Vor allem bei anderen Frauen stösst sie nicht nur auf Akzeptanz für diese Entscheidung. “Ich bin sicher, dass ich mit Herzblut Mutter sein werde. Ich mag aber auch mein anderes Leben und meine Arbeit. Ich identifiziere mich sogar ein Stück weit über meine Arbeit.” Zudem sei es nicht selbstverständlich als Mutter Vollzeit Zuhause bleiben zu können – nicht jede Familie könne sich das leisten. “Ich habe das Glück in einer sehr emanzipierten Partnerschaft zu leben.” Bei der Erziehung ihres Kindes sei es ihr wichtig, ihre Werte weitergeben zu können.
Julia, Head Barista und HR Assistentin bei ViCAFE
Julias Weg zu ViCAFE war genau genommen nur ein Katzensprung. 2014 bezog sie am Goldbrunnenplatz eine Wohnung, ein paar Monate zuvor eröffnete ViCAFE dort die erste Espresso Bar. In ihren Pausen vom Filmeschneiden gönnte sie sich ab und zu einen Kaffee. Wenn sie Stutz hatte, wie sie sagt. Eines Tages war eine Support-Stelle ausgeschrieben und sie bewarb sich. Zusätzliches Einkommen kam ihr gerade recht. Absage. Ein halbes Jahr später meldete sich ViCAFE doch bei Julia und fragte, ob sie noch Interesse an der Stelle habe. Sie sagte zu. Viele Espressi und Flat Whites gingen seither über die Theke, neue Espresso Bars wurden unter ihrer Leitung eröffnet. “Irgendwann zog es mir den Ärmel rein und da bin ich nun bis heute.” Ganz wichtig sei für sie, dass der Arbeitgeber die gleichen Werte vertrete wie sie und, dass sie ihre Meinung äussern könne. Sie lässt sich zur HR-Fachfrau ausbilden und kann in ihrer jetzigen Position diese Werte mitformen und sich für die Rechte und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden einsetzen. Die Herausforderung dabei sei, die Interessen des Unternehmens und der Mitarbeitenden gleichermassen zu vertreten. Sie versuche ihre Arbeit jedesmal noch ein bisschen besser zu machen. “Mein Ziel ist es, der beste Arbeitgeber von Zürich zu werden. Oder sagen wir von der Schweiz.” Zielstrebig und ambitioniert – mehr Julia könnte diese Aussage nicht sein.
Julia in ihrer Freizeit
Julia’s Hobbys sind mindestens so vielfältig wie sie selbst. Unter anderem betreibt sie mit einer Freundin eine Schnapsbar, die mobil ist und “da und dort auftaucht.” So könne man eigentlich von überall Schnaps verkaufen. Sie bieten ausschliesslich Schweizer Schnäpse an, teilweise sogar selbst gebrannt. Von Sanddorn-Schnaps über Kornelkirschen-Schnaps oder Tannenspitzen-Schnaps gibt es Allerlei. Die Gläschen sind aus dem Brockenhaus und wild zusammengewürfelt. “Än Schnaps foif Stutz.” Eine simple Sache. Dazu gibt es Suppe und Kaffee. Mit einer anderen Freundin steht sie gelegentlich hinter dem DJ-Pult. “Als DJanes würde ich uns nicht bezeichnen.” Doch es mache Spass, ab und zu aufzulegen und den Leuten gefalle es. Auch kochen mit oder für Freunde, guter Wein und Diskussionen bis spät in die Nacht sind Dinge, die sie schätzt und besonders in Zeiten von Corona vermisst.
Die nächste Schnapsbar soll übrigens im kommenden Winter wieder stattfinden.