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MIT SARAH AUF ZEITREISE

Regelmässig portraitieren wir hier Menschen, die für ViCAFE wichtig sind. An einem sonnigen Spätsommertag im September begleiten wir Sarah ins Brockenhaus und auf ihre Dachterrasse, mitten in Zürich.

Von Tamara Meili Bilder: Aaron Fee

MIT SARAH AUF ZEITREISE

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MIT SARAH AUF ZEITREISE

Regelmässig portraitieren wir hier Menschen, die für ViCAFE wichtig sind. An einem sonnigen Spätsommertag im September begleiten wir Sarah ins Brockenhaus und auf ihre Dachterrasse, mitten in Zürich.
Vicafe employee in thrift shop
Mit Sarah im Arche Brockenhaus in Altstetten

An einem der letzten richtig warmen Spätsommertage im September treffen wir Barista Sarah. Sie schlägt vor, dass wir uns im Arche Brockenhaus in Altstetten treffen. Wirklich etwas brauchen tut sie nicht, aber “eifach bizli luegä”. Gespannt, ob aus “luegä” nicht doch “chrömlä” wird, betreten wir das Brockenhaus. Sarah beginnt gerne ihre Wochenenden hier, wenn sie gerade nichts besonderes vorhat oder im ViCAFE mal keine Flat Whites zaubert. “Mir gefällt die Atmosphäre: Es ist ruhig und entspannt.” Man könne gut für sich sein und alles in Ruhe bemustern. Zwischen Retro-Küchenwaagen aus den 60er Jahren, Geschichtsbüchern und alten Skianzügen, erzählt sie uns lachend, dass sie in fast allem einen Aschenbecher sehe. Wenn sie etwas nicht zwingend braucht, es ihr aber gefällt, dient es schlichtweg als Aschenbecher. Heute allerdings haben es ihr Schachfiguren angetan. Da sie ein Brett aber schon hat und die Figuren nicht separat zu haben sind, verlassen wir das Brockenhaus tatsächlich mit leeren Händen.

Vicafe employee in a cafe
Sarah im Gespräch

Waren aus zweiter Hand zu kaufen, anstatt sie wegzuwerfen, sei ohnehin etwas, das die gelernte Schneiderin in ihr Konsumverhalten einbindet. Eine Schwäche habe sie vor allem für Secondhand Mäntel und Jacken. Neue Möbel habe sie beispielsweise auch noch nie gekauft. 

Sarah arbeitet seit Januar 2019 bei ViCAFE – erst als Barista und schon kurze Zeit später als Shopmanagerin. Heute managt sie das ViCAFE Bahnhofstrasse und Le Café enSoie by ViCAFE. “Zu Beginn hatte ich schon etwas Respekt vor der Verantwortung als Shopmanagerin. Aber mit der Zeit gewinnt man Vertrauen in sich selbst, sieht dass es funktioniert und vor allem auch Spass macht.” Ursprünglich zog es die gebürtige Baslerin für eine Praktikumsstelle als Schneiderin nach Zürich. In einer Sportbekleidungsfirma arbeitete sie sechs Jahre in der Entwicklung. Bei einem Sinalco erzählt sie uns, dass die Modebranche schon ein hartes Pflaster war. Vieles erreiche man nur über ein gutes Netzwerk, der Lohn ist im absoluten Minimalbereich.

kitchen table with tomatoes
Crémant und Tomaten, die auf der Dachterrasse wachsen

Das Nähen gefällt ihr noch immer, auch wenn sie viel zu selten dazu kommt. Im Atelier eines Freundes hat sie ihre Nähmaschine untergebracht und kann, wenn immer sie Zeit findet, daran arbeiten. “Beim Schneidern muss man das Endprodukt im Kopf visualisieren, skizzieren und genau überlegen, wie etwas zusammengehört, dass es am Schluss passt. Diesen Prozess finde ich faszinierend.” Die Arbeit für ein Kleidungsstück von A bis Z werde eigentlich viel zu wenig geschätzt, geschweige denn honoriert. Für sich selbst habe sie schon lange nichts mehr genäht – wenn dann eher für Freund*innen, die etwas anpassen lassen oder geschneidert haben möchten. Sarah lädt uns zu sich nach Hause ein. Das war zwar geplant, doch wenn es nach ihr ginge, wäre eigentlich alles spontan.

“Am liebsten mag ich es, wenn sich einfach alles irgendwie ergibt. Jemand ruft an, man trifft sich. Da sind immer die besten Zeiten.”

Vicafe employee in the kitchen
Auf ein Wohnzimmer kann verzichtet werden - nicht aber auf eine schöne Küche mit Fenster

Sie wohnt im Kreis 4 in einer vierer WG. Wir gehen direkt in die Küche – ihren Lieblingsort in der gesamten Wohnung. “Ich könnte komplett auf ein Wohnzimmer verzichten. Aber eine schöne Küche mit Fenster ist ein Muss.” Ihre Mitbewohnerin Valeria gesellt sich zu uns: “Holen wir den Crémant raus?” Mittlerweile ist es ja schon vier Uhr nachmittags und die Zeit für ein Glas Schaumwein damit durchwegs legitim. Die Stimmung ist fröhlich. Es wird darüber gesprochen, was es mit dem “Chuchi-Chueh-Bild” auf sich hat, das immer einen Platz in der Küche ihrer Wohnung hat. Beide mögen gutes Essen und feine Sachen: Sarah beglückt die WG regelmässig mit Kaffee und Valeria mit vorrätigen Desserts aus dem Restaurant, in dem sie arbeitet. Eine Freundin schaut kurz mit ihrem Hund vorbei, holt etwas ab und geht wieder. Aus einem Donnerstagnachmittag wird ein lockeres Beisammensein unter Freunden – spontan und damit genau nach Sarah’s Geschmack.

rooftop in zurich
Über Zürich in der Sonne

Während des Lockdowns hat sich die WG der zur Wohnung gehörenden Dachterrasse gewidmet. Via Estrich klettern wir eine knarzige Holzleiter hinauf – was uns erwartet ist eine wunderbare Sicht über die Dächer des Kreis 4. Auf der Dachterrasse muss man sich etwas zurechtfinden, so vieles gibt es zu entdecken. Farbige Wäscheklammern hängen zusammen mit einer alten Discokugel an einer Leine, leere Weinflaschen weisen auf lange Sommernächte hin, Schilder von vergangenen Festivals erinnern an gute Zeiten. Wer an heissen Sommertagen eine kurze Abkühlung braucht, stellt sich einfach unter die eigens installierte Dusche. Vieles wirkt gesammelt, geliehen oder ist ein einzigartiges Fundstück aus dem Brockenhaus. Für etwas Grün sorgen hie und da Pflanzentöpfe und Tomaten, von denen niemand richtig weiss, wie sie hierher kamen. “Die sind einfach mal gewachsen, vermutlich hat uns ein Vogel ein paar Samen gebracht.” Zu jeder Trouvaille gibt es eine unterhaltende Geschichte, die Sarah uns bei einem zweiten Glas Crémant in der Lounge erzählt.

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